Kammergericht Berlin
Beschl. v. 14.04.2003
26 W 44/03
Der nicht eingetragene Verein ist parteifähig i.S.v. § 50 ZPO.
Sachverhalt:
Der Antragsgegner zu 1) ist ein im Vereinsregister eingetragener Sportverein. Der Antragsteller zu 1) bildet die Ruderabteilung des Antragsgegners zu 1). Durch die Satzung des Antragsgegners zu 1) sind dem Antragsteller zu 1) Befugnisse zur Berufung eines eigenen Vorstandes, zur eigenständigen Hauhaltsführung und zur Vertretung des Antragsgegners zu 1) bei der Aufnahme und beim Ausschluss von Mitgliedern eingeräumt. Der Vorstand des Antragstellers zu 1) ist darüber hinaus berechtigt, den Antragsgegner zu 1) in eigenen Angelegenheiten rechtsgeschäftlich zu vertreten, der Antragsteller zu 1) entscheidet selbstständig über die Beiträge der ihm zugeordneten Mitglieder. Neben anderen Mitgliedern des Antragsgegners zu 1) hat der Antragsteller zu 1) die Antragsgegner im Wege einstweiliger Verfügung auf Unterlassung der Durchführung eines zwischen den Antragsgegnern geschlossenen Grundstückskaufvertrags betreffend das vom Antragsteller zu 1) genutzte Vereinsgrundstück in Anspruch genommen. Die Antragsgegner haben u.a. die Parteifähigkeit des Antragsteller zu 1) in Abrede gestellt. Der Senat hat die Parteifähigkeit des Antragstellers zu 1) bejaht.
Gründe:
I. Die nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde der Antragsteller ist zulässig. Sie ist gem. § 569 ZPO form- und fristgerecht eingelegt worden. Ihrer Zulässigkeit steht auch § 50 ZPO nicht entgegen, soweit die sofortige Beschwerde auch durch den Antragsteller zu 1) eingelegt worden ist.
Der Senat sieht den Antragsteller zu 1) als parteifähig und damit nach § 50 Abs. 1 ZPO als zur Führung von Aktivprozessen berechtigt an. Der Antragsteller zu 1) ist ein nicht rechtsfähiger Verein innerhalb des Antragsgegners zu 1). Er nimmt als Ruderabteilung dauerhaft eigene Aufgaben zur Verwirklichung des Vereinszwecks des Antragsgegners zu 1) nach außen hin wahr, ist in seinem Bestand vom Wechsel seiner Mitglieder unabhängig und tritt nach außen durch eine eigene handlungsfähige Organisation auf (vgl. BGH v. 19.3.1984 – II ZR 168/83, MDR 1984, 737 = NJW 1984, 2223). Insoweit liegen auch keine lediglich angemaßten Befugnisse vor, da nach § 3 Abs. 2 der Satzung des Antragsgegners zu 1) die einzelnen Sportabteilungen ihre sportlichen und finanziellen Angelegenheiten selbst regeln und hierzu entspr. den Bestimmungen der Satzung eigene Organe berufen. Entsprechend setzen sie, wie im Verhandlungstermin auch von Seiten des Antragsgegners zu 1) bestätigt, die Beiträge abteilungsbezogen fest; aus der Satzung ergibt sich darüber hinaus, dass die Abteilungen selbständig über die Aufnahme und den Ausschluss von Mitgliedern entscheiden. Im Außenverhältnis sind sie nach § 10 Abs. 6 der Satzung zudem berechtigt, den Antragsgegner zu 1) in Angelegenheiten der Abteilung zu vertreten.
Soweit bisher in der höchstrichterlichen Rspr. vertreten worden ist, dass dem nicht rechtsfähigen Verein im Hinblick auf den Wortlaut des § 50 ZPO eine Parteifähigkeit zur Führung von Aktivprozessen nicht zukomme (so zuletzt BGH v. 6.10.1989 – V ZR 152/88, MDR 1990, 141 = BGHZ 109, 15), lässt sich dies nach Auffassung des Senats im Hinblick auf die geänderte Auffassung der Rspr. zur Parteifähigkeit der BGB-Außengesellschaft (BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 = BGHReport 2001, 237) nicht mehr aufrechterhalten. Auch wenn der BGH die Parteifähigkeit der Außengesellschaft bürgerlichen Rechts auch deshalb bejaht hat, weil die gesetzlichen Regeln nichts über die Rechts- und Parteifähigkeit der Gesellschaft aussagen und die Gesellschaft lediglich als ein Schuldverhältnis definieren (BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 [343] = BGHReport 2001, 237), ist über den Wortlaut des § 21 BGB hinaus kein sachlicher Grund ersichtlich, aus dem einem nicht eingetragenen Verein die Rechts- und damit die Parteifähigkeit weiter versagt bleiben muss. Zudem besteht im Hinblick auf den Umstand, dass ein Verein im Gegensatz zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts grundsätzlich einem ständigen Wechsel seiner Mitglieder unterworfen ist, auch ein sachliches Bedürfnis, ihn prozessual der Gesellschaft bürgerlichen Rechts gleichzustellen, was i.Ü. auch dem Gedanken des § 54 BGB entspricht. Auch ist zu berücksichtigen, dass der Allgemeine Teil des BGB im 1. Abschn. Titel 2 lediglich den Begriff der juristischen Person definiert und nach seinem Wortlaut die Rechtsfähigkeit an das Bestehen einer juristischen Person knüpft. Seitdem hat die Rspr. Rechts- und Parteifähigkeit aber auch Personengemeinschaften zuerkannt, die keine juristische Person sind. In diesem Sinne erscheint dem Senat eine Rechtsauffassung, wonach allein der nicht eingetragene Verein keine Parteifähigkeit besitzen soll, nicht mehr haltbar (vgl. auch Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl., § 54 BGB Rz. 7; Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 50 ZPO Rz. 41; Baumbach/Lauterbach, ZPO, 60. Aufl., § 50 ZPO Rz. 24; K. Schmidt, NJW 2001, 993 [1002 f.]) und ist es im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung geboten, auch den nicht eingetragenen Verein als zur Führung von Aktivprozessen berechtigt anzusehen. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Gesetzgeber im Rahmen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes bzw. des Zivilprozess-Reformgesetzes 2001 weder eine Änderung des § 21 BGB noch des § 50 ZPO vorgenommen hat. Ziel dieser Gesetzgebungsvorhaben waren eine Änderung des Schuldrechts und der damit verbundenen Regeln des Allgemeinen Teils des BGB sowie eine Beschleunigung und Vereinfachung des Zivilprozesses. Auch wenn dem Gesetzgeber vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens die Entscheidung (BGH v. 29.1.2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 = BGHReport 2001, 237) sowie die hierdurch aufgeworfene Problematik auch für den nicht eingetragenen Verein bekannt war, lässt sich nicht zwingend ersehen, dass der Gesetzgeber die Stellung des nicht eingetragenen Vereins im Hinblick auf seine aktive Parteifähigkeit bewusst nicht ändern wollte.
Eine andere Betrachtung ergibt sich auch nicht, wenn im Hinblick darauf, dass der Antragsteller zu 1) seine Befugnisse nicht aus einer eigenen Satzung, sondern aus der Satzung des Antragsgegners zu 2) ableitet, dem Antragsteller zu 1) der Charakter eines nicht rechtsfähigen Vereins nicht zuzusprechen wäre. Dann wäre er nach Auffassung des Senats als BGB-Außengesellschaft anzusehen, deren Parteifähigkeit außer Frage steht.
Soweit der Antragsgegner zu 1) nach § 88 Abs. 1 ZPO die ordnungsgemäße Bevollmächtigung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller gerügt hat, ist diese durch die Vorlage der Anwesenheitsliste zum Protokoll der Jahreshauptversammlung des Antragstellers zu 1) am 16.2.2003 i.V.m. dem dort unter TOP 1 wiedergegebenen Beschluss nachgewiesen.
II. In der Sache hat die sofortige Beschwerde teilweise Erfolg.
A. Ein Verfügungsgrund nach § 940 ZPO besteht bereits im Hinblick darauf, dass die Antragsgegner zur UR-Nr. 113/2003 des Notars Dr. G. einen Grundstückskaufvertrag geschlossen haben, der bereits eine Auflassungserklärung und einen Umschreibungsantrag enthält und dessen Vollzug beim Eintreten der vertraglich geregelten Voraussetzungen, auf welche die Antragsgegner ebenfalls keinen unmittelbaren Einfluss mehr haben, zu erfolgen hat, wobei die Entscheidung über die Wirksamkeit des Kaufvertrages dem Hauptsachenverfahren überlassen bleiben muss.
Die Antragsteller können im Wege der einstweiligen Verfügung jedoch nur nach § 940 ZPO verlangen, dass die Antragsgegner ihre dem Notar Dr. G. im Grundstückskaufvertrag vom 13.2.2003 erteilte Vollmacht und Auftrag, ggü. dem Grundbuchamt die Auflassung zu erklären und die Eigentumsumschreibung zu beantragen, widerrufen.
Auch soweit diese Vollmacht unwiderruflich erteilt worden ist, wird hierdurch der in einer solchen Anweisung liegende teilweise Vollmachtswiderruf nicht ausgeschlossen, da auch unwiderrufliche Vollmachten aus wichtigem Grund widerrufen werden können (Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl., § 168 BGB Rz. 6), ein derartiger wichtiger Grund liegt nach Auffassung des Senat in einer gerichtlich ausgesprochenen Anweisung, die Vollmacht zu widerrufen oder einzuschränken. Insoweit bedarf es allerdings nach Auffassung des Senats keiner zusätzlichen Anweisung an den Notar, auch die zum obligatorischen Vollzug des Grundstückskaufvertrages erforderlichen Mitteilungen an die W. KG a.A. nicht zu machen, wobei der Senat nach § 938 Abs. 1 ZPO den Inhalt der einstweiligen Verfügung nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmen durfte.
Die Antragsteller haben dargetan und glaubhaft gemacht, dass sie durch den Abschluss des Kaufvertrages und dessen Vollzug in eigenen Rechten verletzt werden. Sowohl den Antragstellern zu 2)–4) sowie zu 6)–57) als Einzelmitgliedern des Antragsgegners zu 1) als auch den Mitgliedern des Antragstellers zu 1) droht im Falle des Vollzugs des Grundstückkaufvertrages der faktische Verlust ihrer in erster Linie in der Ausübung des Rudersports liegenden Mitgliedsrechte, da jedenfalls bei einem Verkauf des Vereinsgrundstücks der Rudersport nicht mehr im Rahmen des Antragsgegner zu 1) betrieben werden kann. Dass sie darüber hinausgehende formale Mitgliedsrechte nicht verlieren, steht dem nicht entgegen, da diese nicht Grund ihres Beitritts in den Antragsgegner zu 1) waren. Der Beschluss der außerordentlichen Mitgliederversammlung des Antragsgegners zu 1) vom 30.1.2003 und der am 13.2.200 beurkundete Grundstückskaufvertrag führen nach Auffassung des Senats damit i.E. zur Auflösung des Antragstellers zu 1), da die Eigenschaft als Abteilung des Antragsgegners zu 1) nicht bloßer Selbstzweck ist und der Verkauf des Grundstücks dazu führt, dass die Mitglieder des Antragstellers zu 1) gezwungen werden, aus dem Antragsgegner zu 1) auszutreten und sich einen anderen Verein zu suchen. Zudem ist der Antragsteller zu 1) in § 3 Abs. 1 der Satzung des Antragsgegners zu 1) ausdrücklich genannt und muss aus dem Gesamtverständnis der Satzung die Definition des Vereinszwecks auch über die Nennung der einzelnen sportlichen Betätigungsgebiete des Antragsgegners zu 1) verstanden werden. Insoweit hat der Senat – im summarischen Verfahren nicht abschließend zu klärende – Bedenken, ob einzelne Abteilungen des Antragsgegners zu 1) durch einfachen Beschluss der Mitgliederversammlung ohne wichtigen Grund ohne Zustimmung der Abteilungen aufgelöst werden können, zumal die Satzung hierüber keine Bestimmungen enthält. Zudem ist zu berücksichtigen, dass § 13 Abs. 1 der Satzung möglicherweise analog für die Auflösung von Teilen des Vereins zu gelten hat. Zumindest mag aber die ausdrückliche Nennung der Ruderabteilung in § 3 Abs. 2 der Satzung eine ausdrückliche Änderung der Satzung für den Fall der auch faktischen Auflösung dieser Abteilung erforderlich machen.
Auch der Antragsgegner zu 2) hat seine ggü. dem Notar Dr. G. erteilte Vollmacht einschränkend zu widerrufen. Nach dem Vorbringen der Antragsteller lässt sich jedenfalls nicht ausschließen, dass er zumindest i.S.v. § 173 BGB wissen musste, dass der Vorstand des Antragsgegners zu 1) möglicherweise nicht wirksam ermächtigt worden war, den verfahrensgegenständlichen Grundstückskaufvertrag abzuschließen, wobei auch hier die Klärung letztlich dem Hauptsachenverfahren vorbehalten bleibt. Zu berücksichtigen ist dabei allerdings, dass die Initiative zum Ankauf des Grundstücks von ihm ausging und entspr. Gespräche nicht über den Vorstand des Antragstellers zu 1), sondern unmittelbar mit dem Antragsgegner zu 1) geführt wurden. Insoweit lässt sich zumindest nicht ausschließen, dass der Antragsgegner zu 2) eine fehlende Ermächtigung des Vorstandes des Antragsgegners zu 1) zumindest billigend in Kauf genommen hat, zumal er, wie der Antragsteller zu 1) glaubhaft gemacht hat, sich vorbehalten hat, über die Aufnahme von Mitgliedern des Antragstellers zu 1) nur nach Einzelfallprüfung zu befinden.
B. Dagegen können die Antragsteller nicht nach § 899 Abs. 2 BGB die Eintragung eines Widerspruchs gegen die Richtigkeit des Grundbuchs im Wege der einstweiligen Verfügung verlangen. Sie haben nicht glaubhaft gemacht, dass das Grundbuch unrichtig ist.
Selbst wenn das Vorbringen der Antragsteller, der Antragsteller zu 1) habe die Geldmittel für den Erwerb des Grundstückes und den Bau des Boots- bzw. Clubhauses selbstständig aufgebracht, als wahr unterstellt wird, ergibt sich hieraus nicht, dass das Grundstück dem Antragsteller zu 1) als selbstständiger Vermögenswert zuzuordnen ist. Zwar hat der Antragsteller zu 1) die für den Bau des Bootshauses erforderlichen Genehmigungsanträge im eigenen Namen gestellt und sind vom ihm auch die erforderlichen Mittel beschafft worden, die von den Antragstellern eingereichten Unterlagen genügen jedoch nicht zur Glaubhaftmachung einer Zuordnung des Grundstücks – etwa für den Fall der Auflösung des Antragsgegners zu 1) – an die Ruderabteilung, zumal schon bei Erwerb des Grundstücks nach § 47 GBO die Möglichkeit bestanden hätte, die Gesamthand der Mitglieder der Ruderabteilung als Eigentümer im Grundbuch eintragen zu lassen. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Antragsgegner zu 1) lediglich als Treuhänder für den Antragsteller zu 1) im Grundbuch eingetragen worden ist. Die von den Antragstellern insoweit eingereichten Unterlagen sprechen nicht für eine Treuhänderstellung, sondern lediglich dafür, dass sich der Antragsteller zu 1) und der Antragsgegner zu 1) bei Erwerb des Grundstücks und Bau des Bootshauses noch gar keine Gedanken über eine etwaige vermögensrechtliche Zuordnung gemacht hatten. Dass auch der Antragsteller zu 1) den Antragsgegner zu 1) als tatsächlichen Eigentümer des Grundstücks und nicht lediglich als Treuhänder angesehen hat, ergibt sich nicht zuletzt auch aus den vom Antragsgegner zu 1) als Anlagen 5 und 6 zum Schriftsatz vom 10.4.2003 eingereichten Schreiben des Antragstellers an den Antragsgegner zu 1) und das Bezirksamt Spandau von Berlin (Bl. 178 f. d.A.) vom 6.8.2001. Danach wird hinsichtlich des baulichen Zustandes des Grundstücks auf den Antragsgegner zu 1) als Grundstückseigentümer hingewiesen und eine eigene Haftung gerade nicht bejaht. Im Falle einer Treuhänderstellung des Antragsgegners zu 1) hätte sich aber der Antragsteller zu 1) jedenfalls im Innenverhältnis für verantwortlich erklären müssen, was ausweislich der Anlage 5 gerade nicht geschehen ist.
III. Da während der mündlichen Verhandlung nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden konnte, dass ein Eigentumsumschreibungsantrag durch den Notar Dr. G. vielleicht schon gestellt worden ist, war die getroffene Anordnung gem. dem ergänzenden Antrag der Beschwerdeführer darauf zu erstrecken, dass der Notar für diesen Fall zur Rücknahme anzuweisen ist.